Der Gönner


Der Gönner gönnt dir das Paradies, ohne selbst daran teilzunehmen. Bei einem Wein lädt er dich ein, um zu plaudern und plaudert dir alles aus dem Leib, denn er ist der Gönner, der dir ein Paradies beschreibt und das Grauen im Paradies, ohne selbst daran teilzunehmen, darin verweilt.

Mit seinem Geld wirft er um sich. Er verteilt Trinkgelder mit der Geste des großen Mannes, der es nicht bemerkt, wie ihn die Scheine aus den Taschen, die Zahlen von der Abrechnung fallen. Unter allen Sternen ist er der hellste, der gibt. Mit einem Wink besticht er den Ober mit seinem distanzierten Lächeln und bezahlt noch im Sitzen mit der eigenen Zeit. Darin verweilt.

Dem Gönner sieht man seine Rechnung an. Die Zahlen sind ihm schwarz anzumerken.

Was er hat, das gönnt dir der Gönner. Vom Schlechten und vom Guten gibt er dir ab. Ohne zu fragen, überreicht er dir seine Geheimnisse.

Doch du wirst fragen. Er wird sie dir gönnen, dir entgegentragen.

Denn der Gönner gönnt dir dieses Paradies auf Erden, dass noch in seiner Hölle durch Wärme und dem letzten Brand besticht, auch wenn es lodert und brechend über dich kommt, gönnt er dir das Paradies bildlich gesprochen, von dem er dir Stück um Stück gibt, auch wenn dir nur am kleinsten daran liegt. Einen Kuchen gleich teilt er die Welt in gut und schlecht und tut sich selbst nicht schlecht damit, dir einen guten Schleier über die Netzhaut zu legen. Dir entgegentragend: sein Leben.

Der Gönner gönnt der Sonne ihr Licht und dir deinen Frieden. Darum legt er sich ins Zeug. Willst du gebraucht werden, so gönnt er dir, dich zu lieben. Und liegt in deinem Erkennen auch Schmerz und man hat es prophezeit, sticht dir der Gönner das Messer in die Brust, auf dass du nicht länger leiden mögest an deiner Zeit.

Denn wer nicht sehen will, der muss bei ihm nicht sehen. Der Gönner gönnt jedem sein Trübes. Sein Tribunat ist kein Verrat.

Den Fußweg legt der Gönner gerne in Begleitung zurück. Manchmal versucht er den Schritt anzupassen, andernorts bleibt er stehen, um in der Betrachtung von etwas zu verharren, was in der Bewegung längst vergangen wäre, doch es vergeht nicht, bleibt, brennt sich ein. Auch das gönnt er dir: mit ihm sehen zu lernen. Mit einem Gönner gönnt man sich zu sein.

Doch nicht nur zu anderen ist er gönnerhaft. Auch zu sich selbst.

Manchmal legt er seine beste Uhr an, um den besten Blick des Tages auf diese Uhr zu legen. Auch die Stille gönnt er sich. Wirklich verlebt er Tage. In ihr verharrt er zu Lebzeiten, gibt manchmal davon ab, wenn man fragt und behält sie für sich, wenn man letzte Bitte verschweigt, wenn es tagt, wenn es nächtigt, wenn Zeit ist.

Der Gönner beherrscht die Materie. Deine Ahnen werden wieder lebendig, dein Kind, noch ungeboren, schreit zum ersten Mal und auch die Gräber werden gegen Gärten eingetauscht. Berauscht von diesem Fest, lässt du ab von dem Menschen, der du einmal warst. Denn rester ist französisch und heißt bleiben. Denn was bleibt, ist der Rest, davon zu schweigen, keine Spuren hinterlässt.

Nackt erwachst du im Bett. Deine Hand lastet in der Scham, ein Zahn muss dir Fehlen oder ist es der Biss, der dich schmerzen macht. Die Sonne überstrahlt dich und mit dem Anblick des Paradieses gelingt dir auf gespenstische Art und Weise der Tag. Wenn du etwas Schöneres erwünschst, so frag danach.

In seinem aufgehellten Dunkelblick erscheint dir Gott persönlich. Auch daran nimmst du nicht mehr teil. Im Tanz der Worte passiert es dir vielleicht, dass er sich über deine Sätze neigt und sie anklagt zu gönnen das Stück vom Paradies, das alles verheißt, dunkel und hell ist und die Erde erblindend überstrahlt; denn er ist der Gönner, der dir ein Paradies beschreibt und das Grauen im Paradies, ohne selbst daran teilzunehmen. Der nicht klagt. Er ist bei dir auf allen Wegen und nimmt kein Geschenk zurück.

Der Gönner gönnt jedem, das für ihn bestimmte

Glück.

Veröffentlicht von

Eileen Mätzold

Seit Eileen Mätzold von ihrer Schwippschwägerschaft mit Rainer Maria Rilke, Heiner Müller und Ingeborg Bachmann erfuhr, hat sie eine große Verantwortung zu tragen. Die Jahre zogen rauschend ins Land. Doch unverändert ist seit dem: sie schreibt des Tags und des Nachts, schreibt und schreibt...

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