Regenlied

Es hat geregnet in diesen Nächten. In jeder. Und ich habe geträumt. Vom Regen. Auf der Haut. Wie er in jede Pore dringt. Und nichts mehr übrig lässt, außer den Träumen.

Ich habe zugelassen, dass ich überspült wurde vom Regen, der die Tränen verbirgt. Und nasse Strähnen hingen mir ins Gesicht. Und kalte Spuren liefen darüber. Ich sage dir nicht, dass es Tränen waren. Ich hebe die Finger in das fahle Licht der Straßenlaterne. Es ist schon sehr dunkel in dieser Gegend. Und du fährst vorbei, als hättest du mich nie gesehen. Du lügst, ich weiß das. Du kennst mich, bestimmt. Träume ich. Wenn du mich siehst, was siehst du? Was willst du sehen? Ich will dich sehen. In meinen Träumen. Und im Licht der Straßenlampen. Und dein nass strähniges Haar spüren, auf deinem Gesicht klebend. Und die kalten Spuren fühlen. Weil es bei dir nur Regen sein wird.

Du sollst meine Schultern halten. Fester, auch wenn sie nass sind vom Regen. Denn der Regen wird uns verbinden. Das grau und schwarz der Nächte auswischen. Ich möchte, dass es genau so wird. Ich will dich ganz fest halten. Und es wird mir nichts ausmachen, dass du nass sein wirst. Denn der Regen ist unser Zeichen. Für uns beide.

Wir werden uns erinnern. An Tropfen, die auf der Haut zu mehr werden als bloß Wasser. Tropfen, in denen deine Fingerspitzen vorsichtig gezeichnet haben. Auf meiner Haut. Zuerst nur Linien, dann Muster und später auch Buchstaben. Mir war das immer fremd. Ich habe gleich mit ganzen Wörtern angefangen. Und du hast es nie gemerkt. Die Zeit, in der du beginnen wirst mich zu verstehen, wird erst viel später sein. Wir haben diese Zeit. Genug für uns beide. Und Regen. Wir haben auch Regen. Genug für eine lange Zeit. Und beim Frühstück wirst du mich jedes Mal anlächeln und fragen, ob der Regen heute reicht, für uns beide. Und ich werde zurück lächeln. Irgendwann auch nicht mehr so vorsichtig, weil ich dann weiß, dass du auch auf Regen warten kannst, wenn der Himmel blau ist. Aber bis dahin wird es noch dauern.

Ich wende mich in die Richtung, in die du verschwunden bist. Ich erwarte nicht wirklich, dass du dich noch einmal umdrehst. Bei diesem Regen solltest du deinen Blick fest auf der Straße lassen. Nicht, dass dir etwas passiert und meinen Träumen auch nicht.
Es ist gut, dass du vorsichtig fährst. So wirst du gut auf mich achten können. Bald. Ich weiß das. Ich werde in Sicherheit sein, bei dir.
Wenn du nur endlich begreifst. Dass der Regen unser Zeichen ist. Dass deine Regenlinien auf meiner Haut schon längst verwischt sind zu ganzen Sätzen.

Du bist vorbeigefahren. Warum? Ich habe doch auf dich gewartet. Und der Regen hat „sieh mich“ geschrien. Für dich. Und auf dem durchnässten Plakat der Bushaltestelle habe ich dann Regenlinien zu Mustern gemacht. Buchstaben habe ich mich noch nicht getraut, weil die Straßenlampe so direkt darauf geschienen hat. Aber vielleicht nächste Woche. Ich habe Zeit. Ich werde warten. Denke ich. Noch eine Weile. Und der Regen hört auch nicht auf.

 

AnnA-Katharina Kürschner – Vita

Auf die „Warum-schreibst-du?“-Frage antwortet sie:

Buchstaben setzen Zeichen.
Wörter geben den Dingen einen Namen.
Was will ich mehr, als Zeichen setzen und die Dinge beim Namen nennen?
Und sonst kann man vielleicht noch sagen…
Ich bin zum Glück nur noch ein Jahr Schülerin.
Dann geht es in die wilde Welt hinein.
Das Schreiben ist dabei – schon seit den ersten Versuchen – Hut, Stock und Zuhause zugleich.

als Ziel

 

obwohl ich die eigene Spur verfolge,
laufen die Spuren höchst selten parallel.
Ich will mir immer ein kleines Zeichen setzen,
an dem ich mich selbst aufschütteln kann
und am nächsten Tag, eigentlich,
wenn ich schon gar nicht mehr reden möchte,
sinkt gleichviel steigt die Wehmut zur Frage,
ob ich überhaupt noch einmal nach Hause komme,
weil doch sowieso schon alles beredet sei.

 

Julia Dathe – Vita

Julia Dathe, geboren 1981 in Berlin, lebt heute in Leipzig, die
alleinerziehende Mutter zweier Töchter arbeitet tags im Einzelhandel
und schreibt nachts am ersten Roman. Sie schreibt zudem Lyrik, ihr
vielbeachtetes Lyrikdebüt erschien schon …

Julia Dathe, Jahrgang 80, lebt in Dresden, arbeitet in Leipzig und was
sie dort tut, bleibt dem Rest der Welt eher im Verborgenen, manchmal
sagt sie, sie arbeitet in einem Restaurant, aber so richtig will ihr
das niemand glauben, demnächst wird sie zur Leitplankenmonteurin
umschulen, sie veröffentlicht in Zeitschriften und …

Juliane Dathe * Leipzig, lebt im Spessart, schreibt Lyrik, Prosa und
Drama und leitet diverse Kinder- und Jugendschreibwerkstätten. Die
junge Dame schreibt nach eigener Auskunft seit frühester Kindheit, sie
hat sich Lesen und Schreiben selbst beigebracht, und

Juliane Dathe, Leipzig, 1979, Theaterautorin und

Juliane Darte, Leipzig, 1979, Dramatik

Juliane Dathe, Dramatikerin, schreibt auch Lyrik, die 1980 in Leipzig
geborene ist Dozentin für Deutsch, Kommunikation und sprachliches

Julia Martina Dathe, 1986, die gelernte Porzellanmalerin lebt mit
einem Hund und zwei Katzen auf einem alten Gehöft nahe Duisburg. Sie
hat bereits eine beachtliche Anzahl an …